Abschied von meinem Garten

(Tagebuch, 10.06.25)

Hinter meinen geschlossenen Augen fließen Sturzbäche von Tränen. Ich sitze hier gelassen auf meiner Terrasse. Es ist viel zu kalt für diese Jahreszeit und ich habe meinen Winterpullover übergezogen. Jedoch meine nackten Füße fühlen die wohlige Ausstrahlung meiner Liege aus Holz. Das ist der Unterschied zum Winter, denn da bedarf es meiner Wollsocken, um mich behaglich zu fühlen.

Ich erfreue mich der Rose, die die Eibe durchdrungen hat und jetzt auf dessen Kugel die zarten, rosaroten Blüten öffnet. Es ist wie ein Gruß aus längst vergangener Zeit. Einst hatte sie Mutti aus ihrem Vorgarten entfernt und ich habe sie in meinem Garten aufgenommen. Eigentlich ein kleiner Rosenbusch, der sich dann auf den Weg zum Licht machte und so die riesige Eibe durchdrang.

Heute erinnert mich diese Rose an meine Mutter, die den Namen Rosa trug und nun schon seit 22 Jahren nicht mehr lebt. Und dieser Gruß macht mich traurig, denn ich werde meinen Garten bald verlassen und in die Obhut von anderen übergeben. Ob sie diesen Liebesgruß erhalten ist fraglich. Ob sie diesen Garten, den ich im Laufe der Jahrzehnte mehr und mehr mit meinen Geschichten bepflanzt habe, verstehen und zu ihrem machen, mehr als ungewiss.

Die meisten meiner Mitmenschen scheinen schon gestorben zu sein. Durch was auch immer sind sie so blockiert, dass sie den Kontakt zur Natur verloren haben und wohl nicht die Schritte ins Neue-Mensch-Sein wagen.

Wenn ich mich so in meiner Umgebung umsehe, gibt es nur – fast nur – Gärten, die ermordet wurden. Es fehlt an Lebensraum, nicht nur für die Herzen der Menschen und die Naturwesen, es fehlt an Blumen, Pflanzen, Bäumen, Sträuchern und Tieren, die in uns die Welt der Feen, Elfen, Trolle, all der guten Geister lebendig werden lassen. Und bis ins tiefste Innere berühren, mit der Göttlichen Botschaft der Liebe.

Ist es das Schicksal der ganzen Menschheit, dieses betäubte Sein, was alles andere als lebendig ist? Vielleicht sehe ich es zu schwarz, zu dramatisch? Vielleicht greife ich damit der Chance zu leben vor? Vielleicht bin ich nur anders und alle, die ihre Gärten zu monotonen Zierrasenflächen und Steinwüsten verwandelt haben, sind vielleicht in ihrer Welt, so wie es jetzt ist, zufrieden?

Ich weiß es nicht und werde nur für das verantwortlich sein und bleiben, was ich beeinflussen kann, was in meiner Macht steht.

Was bedeutet das ganz konkret im Hier und Jetzt?

Ich danke diesem Garten – mit allem, was zu ihm gehört – für diese Üppigkeit des Lebens. Und auch wenn es zuviel Schatten gab und die Schnecken meinem Gemüse und vielen Blumen keine Chance zum Wachsen ließen, so überwiegt die Schönheit der Natur, die ich in meiner Erinnerung behalten werde.

Ich sage danke an alle Beerensträucher, an alle Obstbäume, die mich mit ihren Früchten reich beschenkten, besonders an die, die in den letzten Jahren gestorben sind.

Ich sage danke an jeden Grashalm, jedes Unkraut, auch wenn ich es abgeschnitten oder ausgerissen habe.

Ich sage danke, dass ich in dieser Oase, die ich in meiner Erinnerung als Paradies im Herzen behalten werde, sein durfte.

Ich sage danke, dass ich unter dem riesigen Kirschbaum am Feuer sitzen durfte und an den Holunder, der mich beschützte und mir Glück brachte.

Ich sage danke an den Maulwurf, der mit seiner Familie meinen Garten durchwühlte, die Mäuse, die Bienen, Wespen, Mücken, Spinnen, an die Regenwürmer und auch die Schnecken, an die Molche im Teich, um nur einige zu nennen.

Ich sage danke an die Vögel, für ihren Gesang und ihr Vertrauen, dass sie mir mit ihren Brutstätten, ganz nahe bei mir, zeigten.

Ich sage danke an die Igel, Eichhörnchen und all meine Katzen, die hier mit mir waren.

Und ich sage danke an die Menschen, die mich besuchten.

Ich werde Euch alle in meinem Herzen bewahren und so in mein neues Zuhause mitnehmen.

Und ich sage dem Haus danke, meiner schönen Wohnung, die mich geborgen hielt und die mir an vielen Tagen den Aufenthalt auf meiner Terrasse ermöglichte, mich, zum Garten öffnend, in der Natur sein ließ.

Und danke für den Raum der Inspiration, die mich wachsen ließ und befähigte „Rückkehr nach Utopia“ und viele andere Texte aufzuschreiben.

Und ich sage danke für meine Einsamkeit, die mich an die Verbundenheit mit all dem Kostbaren, was ich hier in meinem Mensch-Sein geschenkt bekommen habe, erinnerte.

Und jetzt gehe ich in meinen neuen Lebensraum, zu den Menschen, Tieren, Pflanzen, Bäumen, Naturwesen, dem Ort an dem ich, in der letzten Phase dieses Lebens meine neue Heimat, mein neues Zuhause haben werde. Und ich nehme meine treue Gefährtin Pepsina mit, der es weiterhin in meiner Nähe gut sein soll.

Ich lasse meine Traurigkeit zu, denn heute ist sie real, und öffne mich der Freude, die sich schon in meinem Herzlächeln zeigt.

Danke für mein Mensch-Sein, danke für mein neues Zuhause, dass ich jetzt manifestiere = auch in der Materie annehme.

Herzlichst Elisa

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